Salzburger Fenster: Nr. 21-2006

Öko-Strom aus Wiesengras
Pionierprojekt in Eugendorf


Was tun mit dem Gras, wenn sich die Milch- und Fleischproduktion immer weniger auszahlt? In Eugendorf wird in Salzburgs erstem Wiesengraskraftwerk Strom und Wärme erzeugt.


Ländliche Idylle. Bauernhöfe. Traktoren. Die bunten Wiesen in Schwaighofen über Eugendorf stehen im vollen Saft.
"Aber der Milchpreis", sagt Waltlbauer Matthäus Gollackner, "geht ständig zurück. Die Viehwirtschaft ist ein Fass ohne Boden geworden. Uns Bauern werden ständig neue Investitionen abverlangt, nur auf die Preis- und Förderungspolitik ist kein Verlass mehr."
Was tun? Matthäus Gollackner und drei seiner Nachbarn haben noch einmal kräftig investiert. Aber diesmal nicht mehr in Ställe, Melk- oder Kühlanlagen, sondern in etwas ganz Neues. Sie haben die "GrasKraftwerk Reitbach Genossenschaft" gegründet. Nicht mehr Kühe bekommen das Gras von ihren sonnigen Wiesen. Damit wird jetzt ein Kraftwerk gefüttert. Die vier Bauern produzieren Strom und Wärme, statt Milch und Fleisch. Die Probephase ist abgeschlossen. Seit wenigen Wochen arbeitet das Kraftwerk im Regelbetrieb.



Energie ohne Ende
Strom aus Wiesengras? Wie geht das? Im Prinzip ist alles ganz einfach. Die Gras-Silage wird in einen Vergärungsbehälter eingebracht und produziert dort Methangas. Ein flexibler Behälter aus einer Kunststofffolie fängt und speichert das Biogas. Verbrannt wird es in einem robusten 6-Zylinder Motor, der einen Generator antreibt. So wird Strom erzeugt, der zum Preis von 16,2 Cent pro Kilowattstunde in das öffentliche Netz eingespeist wird. Die anfallende Prozesswärme dient auf den Höfen für Warmwasser und Heizung. Das vergorene Gras wiederum wird als geruchsarmer Dünger auf die Felder aufgebracht. Er ist so hochwertig, dass kein zusätzlicher Dünger angekauft werden muss und trotzdem Ertragssteigerungen von rund zehn Prozent erwartet werden können.
Das Ganze ist also ein perfektes Kreislaufsystem. Solange die Sonne scheint, wird der Rohstoff Gras nie zur Neige gehen und kann mit ihm ohne Ende Energie produziert werden.
Was sich im Prinzip so einfach anhört, ist in der Praxis freilich Hochtechnologie, die präzise elektronische Steuerung, verlässliche Mechanik und viel Erfahrung bei der Aufbereitung, Dosierung und Einbringung der Gras-Silage abverlangt.
Die Zahlen der GrasKraft Reitbach-Genossenschaft können sich sehen lassen. Die Gesamtinvestitionen beliefen sich auf 600.000 Euro. Eingebracht wird das Gras von rund 40 Hektar Wiesenflächen. Wenn technisch alles wie erwartet läuft, können mit der Anlage jährlich 750.000 Kilowattstunden Strom produziert werden. Das reicht für 224 durchschnittliche Haushalte.
Geplant wurde das Kraftwerk von der Energiewerkstatt Friedburg. Projektleier Peter Stiegler zählt noch andere Vorteile der Energiegewinnung aus Wiesengras auf: "Der Energiegehalt von Grassilage ist sehr hoch. Die Landwirtschaft steuert im Grünland auf einen Futterüberschuss zu. Die Produktion von Biogas und Strom mit derartigen Graskraftwerken ist daher eine echte Alternative und hat Zukunft. Mehr Versorgungssicherheit und hohe regionale Wertschöpfung sind zusätzliche Argumente."


Heinrich Breidenbach


Bildtexte:
Waltlbauer Matthäus Gollackner und Projektleiter Peter Stiegler von der Energiewerkstatt Friedburg begutachten die Grassilage.
Die Daten des GrasKraftwerks können sich sehen lassen.
Biogas aus Wiesengras erzeugt Strom.