Freitag, 14. Februar 2004

 

von Heinrich Breidenbach


Grassers Im-Nu-Economy und die Scheckbuch-Lobbyisten

Von Förderung der New Economy kann keine Rede sein, im Gegenteil - Ein Kommentar der anderen von Heinrich Breidenbach


Nichts gegen Beziehungspflege. Aber in der Rechtfertigungsprosa der Industriellenvereinigung zur Causa "KHG-Homepage" ist der Wurm drin. Von Förderung der New Economy kann keine Rede sein. Im Gegenteil.


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Vielleicht ist das in Russland so. Oder in Kolumbien. Allenfalls noch in Italien. Bei uns sicher nicht! In Österreich schafft Geld keine Abhängigkeiten und keine Verbindlichkeiten. Nicht einmal ein besseres Gesprächsklima. Einflussnahme durch finanzielle Zuwendungen? "Hanebüchen", an so etwas auch nur zu denken.


"Die breitgetretene Meinung, dass sich die Industriellenvereinigung etwas erkauft hätte, ist so hanebüchen, dass ich es gar nicht sagen kann", meinte IV-Präsident Peter Mitterbauer vor kurzem im profil.


Fragt sich, warum dann die Industriellenvereinigung neben den sauberen und legitimen Formen politischen Lobbyings auch so großzügig Bares an Parteien oder den von Karl-Heinz Grassers Kabinettschef betriebenen "Verein zur Förderung der New Economy" verteilt?


Folgen wir den wechselnden Begründungen der vereinigten Industriellen, und merken wir uns den Begriff "hanebüchen". Wir werden darauf zurückkommen müssen.


Angeblich geht es ja um die "Förderung der New Economy". Ein löbliches Unterfangen. Mit 283.424 Euro ließe sich da schon einiges machen. Die Industriellen könnten etwa in ihren Betrieben jene zahlreichen älteren Semester ausfindig machen, die sich so lange ängstlich vor dem Computer drücken, bis es zu spät ist, und diese – nein, nicht kündigen – sondern fördern. Sie könnten zur Ausstattung von Schulen und Universitäten beitragen. Sie könnten Programme für benachteiligte Regionen forcieren. Es gäbe viel zu tun.


Seltsamer Anker


Das Geld bekam aber ein Verein, der im Wesentlichen bisher nur eine Homepage zusammen gebracht hat. Beim besten Willen lässt sich auf dieser Homepage nichts Brauchbares für die "New Economy" finden, was nicht sonst auch aus dem Netz zu holen wäre. Der Rest sind Grasser- Peinlichkeiten.


Aber seien wir nicht ungerecht. Zwei Firmen aus der New Economy wurden tatsächlich gefördert. Die Ersteller der Homepage.


Suchen wir weiter. Im oben erwähnten Interview versuchte IV-Präsident Mitterbauer eine detailliertere Begründung. "Die Spende war keine Einzelförderung für einen Politiker, sondern für einen Verein, der die New Economy über einen in der Jugend besonders verankerten Repräsentanten propagieren sollte." Es ging demnach also bei der ganzen Sache um Propaganda "in der Jugend". Nur, wer mit "der Jugend" zu tun hat, weiß, dass diese am allerwenigsten Propaganda für die New Economy braucht. Unterstützung, Ausstattung, Ressourcen, Jobs: ja, dringend! Propaganda: nein.


Die "Jugend" sagt nicht ängstlich, "Das mit den Computern tu' ich mir in meinem Alter nicht mehr an". Das sind die oben erwähnten älteren Semester, die sich nun nicht mehr in die Frühpension retten können. Und der "besonders in der Jugend verankerte Repräsentant"? Ausgerechnet ein Politiker. Jeder Fußballspieler und jeder "Starmania"- Sänger ist besser "verankert".


Wer nun Zweifel hegt am Sinn des üppigen Geldflusses für Propaganda "in der Jugend", darf sich eine weitere Erklärung aussuchen – diesmal von Fritz Lorenz, dem Generalsekretär der Industriellenvereinigung. Er beklagte nach seiner Einvernahme durch den Untersuchungsrichter die "unsägliche politische Debatte" und meinte, es sei "darum gegangen, die Vereinsziele wie stärkere Verwendung des E-Government und wirtschaftliche Liberalisierung zu unterstützen".


Die wackersten Kämpfer und Repräsentanten der "wirtschaftlichen Liberalisierung" sind bekanntlich durch die besten Verträge geschützt, oder finden sich in geschützten Bereichen. Zum Beispiel in einem österreichischen Ministerium. Deshalb sind sie auch so glaubhaft.


Und das "E-Government"? In der Realität ist es ganz gut auf Schienen. Durch die Aufnahme in die "Vereinsziele" eines eilig zusammengezimmerten Grüppchens aus Ministersekretären und Beamten soll es nun zusätzlichen Schub bekommen. "Hanebüchen" passt gut.


Tiefrote Bilanz


Man kann es drehen und wenden, wie man will. Die ^Industriellenvereinigung bekommt im Sinne der angeblichen Förderungsziele keine halbwegs plausible Erklärung für den üppigen Geldfluss an den Grasser-Verein zustande. Die Leistungen dieses Vereins für die "New Economy" stehen nicht nur in keinem Verhältnis zur Spendenhöhe. Im Gegenteil. "Unsäglich" ist der Schaden für die New Economy, wenn die Menschen den Blödsinn glauben, eine durchschnittliche Homepage wie www.karlheinzgrasser.at würde 240.328 Euro kosten.


Jeder Betrieb, jeder Selbstständige, der abseits staatlicher oder Spenden-Füllhörner unter dem Diktat der Wirtschaftlichkeit eine Homepage ins Netz gestellt hat, weiß, dass das um Häuser billiger geht und immer billiger wird. Andere werden durch solche Horrorzahlen abgeschreckt. Die Bilanz des Vereins im Sinne der New Economy ist tiefrot.


Von wegen "legitim"


Warum also, warum? An Dummheit oder dümmliche Generosität mag man nicht recht glauben. Dafür behaupten sich die Damen und Herren österreichischen Industriellen auf den Weltmärkten zu gut. Es bleibt nur eine Erklärung: Die Spenden sind eben doch nur eine miserabel kaschierte Beziehungspflege mit Geld.


Dazu bekennt sich die Industriellenvereinigung grundsätzlich auch und handelt danach. Sie sieht dies als legitimen Bestandteil des politischen Lobbyings. Ist es nicht!
Legitim ist politischer Lobbyismus mit der Kraft von Argumenten, Fakten und politischem Gewicht: Überzeugungsarbeit mit dem Status einer bedeutenden Organisation, Aufbau von Think- Tanks, Heranziehung von Experten und Studien, Pressearbeit, öffentliche Präsenz ...


Wenn Lobbying zusätzlich mit dem Scheckbuch betrieben wird, muss hingegen Unbehagen aufkommen. Geld korrumpiert, Geld schafft Macht, Abhängigkeiten, Verbindlichkeiten und öffnet Türen. Es entsteht ein Ungleichgewicht. Mindestrentner, die ihre Interessen vertreten wollen, haben dieses Instrument auch nicht zur Verfügung. Demokratie und soziale Marktwirtschaft brauchen ein Kräftegleichgewicht. Diese Balance war auch die politische Basis des Nachkriegswirtschaftswunders. Lobbyismus ist nur gut, solange er sich nicht einseitig durchsetzt. Sonst kommt es zu gesellschaftlichen Verwerfungen.


Österreichs Parteien bekommen ausreichend öffentliche Mittel. Das ist gut so. Damit sollen einseitige Abhängigkeiten von potenten Spendern verhindert werden.


Unsere Politiker können sich eine Homepage leisten. Ja, aus Steuergeldern. Das ist besser so. (DER STANDARD, Printausgabe, 14./15.2.2004)