Freitag, 20. April 2007


von Heinrich Breidenbach

Die Steiningers und die gestohlene Friedensdividende

Die Steiningers dieser Welt machen einen tollen Job. Die Rüstungsindustrie hat nach dem Zusammenbruch des globalen Ost-West Konflikts ein vorübergehendes Marketingproblem hervorragend gemeistert. Wir danken für den kleinen, aber konkreten Nachweis ihrer Methoden.


Die Nachricht fand wenig Beachtung. Im Juni 2006 veröffentlichte das renommierte Stockholmer Friedensforschungsinstitut seinen alljährlichen Bericht über die Rüstungsausgaben der Welt. 1.118 Milliarden US-Dollar wurden demnach 2005 für Kriegsgerät aller Art ausgegeben. Das Nennen solcher Summen bleibt wirkungslos. Sie sind unfassbar. Krücken können mitgeliefert werden. Etwa, dass auf der Welt gerade einmal ein 14tel davon für „Entwicklungshilfe“ ausgeben wird. Oder, dass nur ein Bruchteil davon genügen würde, um alle Menschen mit trinkbarem Wasser zu versorgen.
Die größte Bedeutung dieser Summe liegt allerdings darin, dass mit ihr erstmals wieder die weltweiten Rüstungsausgaben der Jahre 1987 und 1988 überschritten wurden. Damals, als es noch die Sowjetunion, den Warschauer Pakt, den globalen Ost-West-Konflikt und das „Gleichgewicht des Schreckens“ gab.
Keine leichte Zeit für die Rüstungsindustrie, wenn die teils realen und teils liebevoll gepflegten Bedrohungsbilder plötzlich verschwinden. Die Geschäftsgrundlage war weggefallen. Da hätte ja jemand auf die blöde Idee kommen können, dass nun so viele Soldaten, Panzer, Kanonen, Flugzeuge oder Atomraketen gar nicht mehr notwendig wären. Die Bedrohung einer schrittweisen, ehrlichen globalen Abrüstung stand im Raum. Vielleicht sogar verbunden mit gezielten Investitionen in ein wenig mehr Gerechtigkeit und Konflikt-Entschärfung, einer Friedensdividende eben. Tatsächlich gingen ein paar Jahre lang die weltweiten Rüstungsausgaben zurück.
So geht das freilich nicht!
Damit kommen wir ins kleine Österreich mit seinem segensreichen parlamentarischen Eurofighter-Untersuchungsausschuss. Wir bekommen einen klitzekleinen, dafür aber konkreten Einblick in die Methoden der Beziehungspflege von Rüstungskonzernen und ihrer Lobbyisten. Pralle Füllhörner werden ausgeschüttet über parteinahe Agenturen, Parteiangestellte oder Fußballklubs. Golfturniere werden gesponsert. Der EADS-Lobbyist Erhard Steininger unterstützte großzügig und ohne Gegenleistung die Firma der Gattin eines „befreundeten“ Militärs. Jeder einzelne dieser konkret nachgewiesenen Euros ist aufschlussreicher als alle Behauptungen über die „üblichen“ Bestechungs-Prozentzahlen bei Rüstungsdeals. Wir danken aufrichtig!


Warum nur?
Warum nur, grübeln dieser Tage schwer geforderte innenpolitische Redakteure, haben ausgerechnet Rüstungslobbyisten immer diese verfänglichen Geldbündel im Marschgepäck? Das müsse doch eigentlich gar nicht sein. Ist das wirklich so schwierig? Natürlich erfordert es einen weit über jede rationale Argumentation hinausgehenden Aufwand, einem Land, das in den heißesten Zeiten des kalten Krieges mit ein paar alten Fliegern sein Auslangen gefunden hat, heute einen dringenden Bedarf an den teuersten und modernsten Abfangjägern plausibel zu machen.
Nun sind wir ja in Österreich, wo alles fast gut ist. Die Demokratie ist stabil, der Rechtsstaat funktioniert, Korruption hält sich in Grenzen, die Kontroll- und Selbstreinigungskräfte funktionieren. Siehe Untersuchungsausschüsse. Wir sind auch kein Land, das Gefahr läuft von überbordenden Rüstungsausgaben in seiner wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung erdrückt zu werden. Mit oder ohne Eurofighter. Auch die wirtschaftliche Potenz und politische Macht der heimischen Rüstungsindustrie ist begrenzt.
Aber man denke sich einmal die hier konkret nachgewiesenen Methoden in andere Länder weiter. In Krisenregionen, in Länder, die von Militärs regiert werden. Etwa nach Pakistan, das rund dreißig Prozent seines Budgets für „Verteidigung“ ausgibt. Oder nach Russland, wo sich ein überdimensionierter militärisch-industriellen Komplex aus den Zeiten der Sowjetunion am Leben erhalten will. Oder in die USA, die mit 48 Prozent fast die Hälfte der weltweiten Rüstungsausgaben verbraten. Wie prall gefüllt muss dort das Marschgepäck der Steiningers sein? Wären sonst etwa die desaströsen Feldzüge nach Tschetschenien oder in den Irak überhaupt möglich gewesen? Kriege haben viele Gründe. Ihre Funktion als Verkaufsmessen der Rüstungsindustrie ist eine davon.


Eine Meisterleistung
In unzähligen kleinen und großen politischen Scharmützeln hat die weltweite Rüstungslobby in den letzten Jahren jeden wirklichen Abrüstungsschritt erfolgreich bekämpft. Das beginnt mit „Kleinigkeiten“ wie der Verhinderung einer effizienten internationalen Ächtung der vornehmlich Kinder und Bauern tötenden Anti-Personen-Minen oder Streumunition. Das geht weiter über die Verschleppung einer funktionierenden UNO-Kontrolle über den internationalen Waffenhandel. Und das endet mit der Verhinderung von atomarer Abrüstung. Letzteres ist besonders absurd und folgenschwer. Immer noch werden rund 25.000 Atomwaffen gefechtsbereit gehalten. Das Pentagon fordert sogar die Wiederaufnahme von Atomversuchen für die Entwicklung bunkerbrechender „Mini-Nukes“. Russland hat derweil begonnen, massiv mit der als Wunderwaffe gepriesenen neuartigen Interkontinentalrakete Topol-M aufzurüsten. So dreht sich die Spirale. Statt in atomare Abrüstung tritt die Welt soeben in ein neues Atomzeitalter ein.
Der internationale militärisch-industrielle Komplex hat ein Eigenleben entwickelt. Er hält gekonnt die Spirale in Gang, die seine Produkte scheinbar allerorten notwendig machen. Er hat die für ihn krisenhafte Situation nach dem Ende des globalen Ost-West Konflikts hervorragend bewältigt. Vom Marketing-Standpunkt aus gesehen ist das eine echte Meisterleistung. Dafür sind die Steiningers dieser Welt mir ihren Füllhörnern unterwegs. Auf Golfplätzen, in Parteizentralen, in Hinterzimmern, in Parlamenten, in Regierungskanzleien, in Medienunternehmen, in Agenturen oder bei Sportvereinen.
Sie verstehen ihren Job.