Meinung


SALZBURGER FENSTER 06/2012


von Heinrich Breidenbach

Sportler-Leichtsinn kriminalisieren?

Hand aufs Herz! Welcher Bergsteiger, Kletterer, Skitourengeher, Variantenfahrer, Segler, Paddler, Wanderreiter, Paragleiter, usw. hat nicht schon einmal so viel Glück gehabt, dass er trotz eigener Fehler gerade noch glimpflich davon kam. Wer hat nicht einmal eine Situation falsch eingeschätzt? Seine Fähigkeiten? Das Wetter? Die notwendige Ausrüstung? Die Lawinensituation? Die eigene Kondition, oder die von Begleitern?
Der Unterschied zwischen einer guten Geschichte und einem Drama, wo jeder mit dem Finger auf Dich zeigt, ist oft nur ein kleines Quäntchen Glück oder Pech. Wenn es gut ausgegangen ist, bis Du ein „wilder Hund“, andernfalls ein verantwortungsloser Leichtsinniger.
Freilich kann man mit Recht den Kopf schütteln, wenn sich etwa Skitourengeher bei minus 25 Grad und Eissturm weit in freies, unbekanntes Gelände hinauswagen. Wo doch jeder halbwegs Erfahrene weiß, wie schnell es bei solchen Verhältnissen lebensgefährlich werden kann. Da genügen schon ein blöder Sturz, ein verstauchter Knöchel, aufziehender Nebel, Schwäche oder ein Ausrüstungsproblem.
Letzte Woche haben sich mehrere steirische Bergretter bei einem, durch solchen Leichtsinn zweier Skitourengeher ausgelösten Einsatz, Erfrierungen zugezogen. Die Empörung über die beiden „Täter“ war groß. Das ist nachvollziehbar. Aber, siehe oben. Wie immer bei solchen Vorfällen und entsprechender medialer Berichterstattung wird der Ruf nach Strafen, Polizei und Justiz laut.
Ausgerechnet jene, die bei den gefährlichen Rettungseinsätzen ihren Kopf hinhalten, warnen nun vor einer solchen Stimmung. Der Österreichische Bergrettungsdienst reagierte in einer Aussendung so: „Wir retten Menschen aus Bergnot und wollen sie nicht medial (vor)verurteilen. Gleichzeitig treten wir gesellschaftspolitisch gegen eine zunehmende Kriminalisierung des Bergsteigens ein, die heute offenbar droht.“
Die Bergretter beziehen damit eine souveräne und weise Position. Man kann dafür nur dankbar sein und gratulieren.

Es wird enger
Tatsächlich hat die Verrechtlichung aller Lebensbereiche längst den gesamten Outdoor-Sport erreicht. Alle die nur irgendwie in eine Haftung genommen werden können, - Wegerhalter, Gemeinden, alpine Vereine, Veranstalter, etc. - müssen sich schon tausend Mal absichern und sind mit lebensfremden Urteilen konfrontiert. Die Verunsicherung ist allgemein und erfasst auch die Sportler selbst. Wenn anlässlich von Einzelfällen der Ruf nach Kriminalisierung immer lauter wird, könnte es bald noch enger werden.
Wir wollen aber nicht mit dem Rechtsanwalt in die Berge.
Hier soll nicht dem Leichtsinn und einer Vollkasko-Mentalität das Wort geredet werden. Aber in der Natur kann etwas passieren. Und es muss dabei nicht immer „Schuldige“ geben. Die Grenzen zwischen vertretbarem Risiko, Pech, Glück und Leichtsinn sind draußen in der Natur fließend. Die wirklich schweren Fälle kommen ohnehin vor Gericht.
Das genügt!

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Investitionen in den Autoverkehr machen das Autofahren attraktiver. Der Autoverkehr steigt. Das ist logisch und die Erfahrung aus Jahrzehnten. Die städtische ÖVP und die Wirtschaftskammer wollen uns nun mit großem Aufwand einreden, dass das beim Millionenprojekt Kapuzinerbergtunnel ganz anders sein soll. Sie versprechen allen Ernstes „mehr Lebensqualität durch weniger Verkehr“. Mitnichten! Für „mehr Lebensqualität“ in den Ballungsräumen stehen ganz andere Weichenstellungen und Investitionen an.


h.breidenbach@salzburger-fenster.at