Meinung


SALZBURGER FENSTER 10/2012


von Heinrich Breidenbach

Wo etwas „weiter geht“

„Es geht nix weiter.“ Dieses allgemeine Lamento findet derzeit breite Zustimmung. Vieles spricht tatsächlich dafür. Aber stimmen tut es trotzdem nicht. Gefährlich ist es auch. Wenn diese Stimmung überhand nimmt, lähmt sie das Land.
Bleiben wir einmal ganz in der Nähe. Zum Beispiel im bevölkerungsreichsten Salzburger Stadtteil Lehen. Noch vor wenigen Jahren war dessen Ansehen total im Keller. Lehen galt als unattraktiv, verbaut und sozial schwierig. Und jetzt schaue man sich einmal ohne Scheuklappen an, was die Stadtpolitik in wenigen Jahren für diesen Stadtteil zusammengebracht hat.
Die Chancen, die sich aus den großen frei werdenden Flächen ergeben haben, wurden wirklich gut genutzt. Die Ansiedelung der Stadtbibliothek auf der Fläche des ehemaligen Fußballstadions ist gelungen und ebenso eine Bereicherung für den Stadtteil geworden, wie die Tribüne Lehen. Ein großes Stück Grün blieb zusätzlich erhalten.
Eine echte planerische und städtebauliche Herausforderung war und ist die Neugestaltung des riesigen ehemaligen Stadtwerke-Areals. Man hätte diese Flächen auch verscherbeln oder eintönig voll klotzen können. Jetzt kann man die Neugestaltung zum Teil schon anschauen. Bei hohen städtischen Dichten und mit architektonischer Qualität wird ein attraktiver Mix aus vergleichsweise günstigen Wohnungen, einem Studentenheim, einem Kindergarten, einem Standort für Wissensbetriebe, für Kunst, für die medizinische Universität, die Volkshochschule, Gastronomie usw. herauskommen.
Um vermeintliche „Kleinigkeiten“ wie etwa die öffentliche, urbane Nutzung der Erdgeschosszonen wurde dabei erbittert und erfolgreich gerungen. Die Information, Mitbestimmung und Vernetzung der künftiger Bewohner und Nutzer wurde in die Hände von engagierten Profis gelegt. Das Ergebnis wird ein gelungenes Areal mit starker positiver Ausstrahlung auf den ganzen Stadtteil sein.

Manchmal doch
Zu diesen zwei Großprojekten kommen noch die Anbindung an die S-Bahn mit den nahen Haltestellen Mülln und Aiglhof, die interessante Nutzung der ehemaligen Mercedes-Gründe mit der Mehrgenerationen-Siedlung „Parklife“ und wichtige private Investitionen, wie etwa der architektonisch hochwertige Neubau des Interspar-Marktes.
Es bleibt noch viel zu tun. Allein der Verkehr in der Ignaz-Harrer Straße ist eine Katastrophe für den Stadtteil. Auch die Häufung von dubiosen Wettbüros ist ein Beleg dafür, dass es noch viel sozialen Sprengstoff gibt. In Summe aber ist es keine Frage. In Lehen hat die Stadtpolitik gemeinsam etwas zusammengebracht.
Manchmal geht eben doch „etwas weiter“.

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In aller Unbelehrbarkeit. Der Walser Bürgermeister Ludwig Bieringer hat sich in seiner Eigenschaft als Präsident des Österreichischen Kameradschaftsbundes „in aller Schärfe“ gegen ein Denkmal für Wehrmachtsdeserteure in Wien ausgesprochen. Seine abstruse Argumentation: Desertion sei „in allen Rechtsstaaten ein Strafdelikt“.
Nur zur Klarstellung: Desertion aus den Nazi-Armeen war ein hoch anständiges und mutiges Verhalten. Sei es aus politischen Motiven, als Akt des Widerstandes gegen ein verbrecherisches Regime, oder auch „nur“ deshalb, weil sich Soldaten nicht mehr in einem als verloren erkannten Krieg verheizen lassen wollten. Österreich hat die NS-Deserteure 2009 in einem längst überfälligen Schritt offiziell rehabilitiert. Das werden auch Herr Bieringer und seine Kameraden zur Kenntnis nehmen müssen. Schön, wenn dieses Denkmal gebaut wird.

h.breidenbach@salzburger-fenster.at