Salzburger Fenster, Meinung 04-2013


Drei „Wahrheitsministerien“ und ein „Flussdialog“

Der britische Dichter George Orwell beschrieb in seinem berühmten Roman „1984“ eine totalitäre Zukunftsgesellschaft, in der ein „Wahrheitsministerium“ mit verordnetem „Neusprech“ die Kontrolle über Sprache und Begriffe der Untertanen ausübt.
Orwell wird oft strapaziert, mehr oder weniger berechtigt. Wir aber dürfen derzeit in Salzburg und Bayern einen klassischen Fall von „Neusprech“ und eine dreifache Neuauflage des Orwellschen „Wahrheitsministeriums“ erleben.
Die Umweltministerien in Wien und München, sowie das Amt der Salzburger Landesregierung eint das Bestreben, die letzte freie Fließstrecke der Salzach, von Salzburg bis zur ihrer Mündung in den Inn, zu einer Kette von Staustufen und Kraftwerken zu machen. So wie es die obere und mittlere Salzach schon ist. Aber wie anstellen? Wie so tun, als ob die Bürgerinnen und Bürger dabei mitreden könnten?
Unsere drei Wahrheitsämter haben die Lösung: Neusprech! Aus simpler Kraftwerkspropaganda werden ein „Flussdialog“ und damit sogar ein „BürgerInnen-Beteiligungsprojekt ganz im Sinne der Europäischen Wasserrahmenrichtlinie“. Das hört sich doch gleich super an!
Dieser so genannte „Flussdialog“ bietet nun scheinobjektive Allerweltsinformationen, hübsche Filmchen, eine Internet-Seite, Versammlungen, Horror-Fotos mit den altbekannten Warnungen vor der Eintiefung des Flusses, etc. Mehr oder weniger aufdringlich kommen dabei auf leisen Sohlen als „Lösung“ immer die Kraftwerke daher. Dieser Zweck der Übung wird verschleiert.
In den vergangen Wochen inszenierte der „Flussdialog“ in den Flachgauer und bayerischen Salzach-Anrainergemeinden Anthering, Bergheim, Oberndorf, Nußdorf, Freilassing, Saaldorf-Surheim und Laufen eine „Online Befragung“ über „die weitere Entwicklung der unteren Salzach“. Der begleitende Postwurf an die Haushalte trug den Titel „Amtliche Information/Amtliche Bekanntmachung“ und die Wappen der drei Länder. Im Impressum stehen die Umweltministerien von Österreich und Bayern, sowie die Salzburger Landesregierung.
Nicht nur die inhaltliche Tendenz, auch die Art und Weise der Durchführung dieser Online-Befragung sind ein Skandal. Warum?

Farce mit Steuergeld
Die Bewohner der genannten Gemeinden bekamen im erwähnten „amtlichen“ Postwurf einen „Gebietscode“ zugesandt, der sie zur Teilnahme an der Befragung im Internet berechtigte. Es ist anzumerken, dass durchschnittlich 15 Prozent der Menschen über kein Internet verfügen und damit ausgeschlossen waren.
Viel schwerer wiegt jedoch, dass sich jedermann außerhalb des Befragungsgebietes leicht einen solchen „Gebietscode“ verschaffen, und an der Befragung teilnehmen konnte. Mir selbst zum Beispiel wurde von einem erbosten Anrainer ein solcher „Gebietscode“ übermittelt, mit dem ich dann als vorgeblicher Oberndorfer problemlos an der Befragung teilnehmen konnte. Das hätten zum Beispiel auch Parteien, Firmen, Kraftwerksbauer oder Energieunternehmen im ganzen Land machen können.
Es wurde also einerseits ein Teil der Bevölkerung ausgeschlossen und andererseits gab es keinen wirksamen Schutz vor organisierten Mehrfach- und Fremdteilnahmen außerhalb des Befragungsgebietes.
Das Ergebnis dieser Befragung ist also in keinster Weise repräsentativ. Mitverantwortlich für diese ebenso sinnlose wie teure Farce auf Kosten der Steuerzahler ist die rot-schwarze Salzburger Landesregierung. In trauter Eintracht übrigens.
h.breidenbach@salzburger-fenster.at