Meinung
SALZBURGER FENSTER22/2012
von Heinrich Breidenbach
Freiwillig mehr zahlen!?
Eigentlich dürfte es sie in „Geiz ist geil“-Zeiten gar nicht geben. Aber es gibt Konsumentinnen und Konsumenten, die ganz und gar nicht den Reflexen der Mehrheit und dem Willen der
Wirtschaftsstrategen entsprechen. Es sind Millionen auf der ganzen Welt, die freiwillig für unterschiedliche Produkte und Dienstleistungen mehr zahlen, als sie müssten. Einfach, weil sie es
besser so finden. Weil sie meinen, dass gewisse Produkte zu wenig kosten, zu viel Natur verbrauchen oder den Produzenten keinen gerechten Erlös bringen.
Fairtrade Österreich zum Beispiel konnte unlängst das Durchbrechen der hundert Millionen Euro Schallmauer melden. Der Konsum von fair gehandelten – und deshalb etwas teureren – Produkten stieg im
Jahr 2011 um satte 15 Prozent. Die Idee von Fairtrade (www.fairtrade.at) ist, den Produzenten von Lebensmitteln, Blumen, Textilien oder Bällen, vornehmlich in der so genannten „Dritten Welt“,
einen besseren und verlässlichen Preis zu bezahlen. Weltweit werden jährlich bereits Fairtrade-Produkte um über 4 Milliarden Euro gekauft. Das sind Größenordnungen, die etwas bewegen. Es
profitieren rund 1,2 Millionen Kleinbauern, Arbeiterinnen und Arbeiter mit rund sechs Millionen Angehörigen von fair gehandelten Produkten.
Ein anderes Beispiel: Fliegen verbraucht sehr viel Treibhausgas Kohlendioxid (CO2). Das ist bekannt. Aber ganz darauf zu verzichten, fällt trotzdem schwer. Dagegen bieten geprüfte Initiativen wie
atmosfair (www.atmosfair.de) einen Ausweg an. Sie berechnen die verbrauchte Menge CO2 für einen beliebigen Flug und verrechnen dafür eine freiwillige Ausgleichszahlung. Für einen Flug von
Salzburg nach Berlin und retour sind das zum Beispiel neun Euro für 340 Kilogramm CO2. Mit diesem Geld wird die Menge CO2, die bei dem Flug verbraucht wird, andernorts eingespart. Etwa durch das
Verteilen von effizienten Brennholzkochern in Nigeria und Ruanda, wo der Holzeinschlag die Wälder extrem gefährdet. Oder durch ein Windenergiekraftwerk in Nicaragua, usw.
Was auf den ersten Blick wie ein billiger Ablasshandel aussieht, entpuppt sich also auf den zweiten Blick als durchaus praktikable Lösung, wenn man einmal auf einen Flug nicht verzichten kann
oder will. Allein atmosfair in Deutschland konnte im Jahr 2010 drei Millionen Euro aus freiwilligen Klimaschutzabgaben von Flugpassagieren in Klimaprojekte investieren.
Freiwillig weniger Zinsen
Ein drittes Beispiel: Es gibt immer mehr Menschen, die freiwillig auf maximale Zinserträge verzichten und dafür ihr Geld lieber bei einer Bank mit ethisch strenger und absolut transparenter
Geschäftsgebarung anlegen. Ein solches Institut ist etwa die deutsche GLS-Bank (www.gls.de). Sie investiert nur in sinnvolle Unternehmen, spekuliert nicht und veröffentlicht alle ihre
Kreditvergaben. Wenn einlegende Kunden auf Zinsen verzichten, gibt die GLS-Bank dies in Form besonders günstiger Kredite weiter. Man glaubt es nicht, aber diese Bank nimmt einen enormen
Aufschwung. Allein 2011 konnte sie 25.000 neue Kunden gewinnen und die Bilanzsumme um 22,5 Prozent auf 2,26 Milliarden Euro steigern.
Es sind dies nur drei Beispiele aus hunderten und tausenden ähnlichen. Sie machen einen winzigen Teil der Weltwirtschaft aus. Aber sie zeigen, dass es auch anders geht. Sie sind das gelebte
Kontrastprogramm zur Spekulation mit Lebensmitteln, zu hemmungsloser Gier und zu billig, billig, billig ohne Rücksicht auf Arbeitnehmer und Natur. Sie zeigen auch, dass sich viele Menschen besser
verhalten wollen, als es die Verhältnisse oft erlauben oder nahelegen.
Es wäre Aufgabe der Politik, dies aufzunehmen und in größerem Maßstab umzusetzen.
h.breidenbach@salzburger-fenster.at