Meinung


SALZBURGER FENSTER 25/2012


von Heinrich Breidenbach

Die Salzbürger Architektur-Erregungen

Wer kann von Plänen in die Wirklichkeit projizieren? Oder von Modellen? Ich nicht! Und ich fürchte, die meisten Normalverbraucher ebenso wenig. Was für unsereins letztlich bleibt, ist die Beurteilung fertiger Projekte. Das ist dann ein bisschen spät.
Zum Glück gibt es Gescheitere! Aber gibt es sie wirklich?
Letzte Woche stritten im SN-Saal der ehemalige Bau- und Planungsstadtrat Johannes Voggenhuber und der Wiener Architekturprofessor Christian Kühn über den aktuellen Salzburger Architektur-Aufreger, die geplante massive Verbauung am Dr.-Franz-Rehrl-Platz beim Unfallkrankenhaus. Es war eine Diskussion auf hohem Niveau. Als Laie blieb man trotzdem ratlos zurück. Das ist so, wenn Menschen, denen man ein solides fachliches Urteil zutraut, mit jeweils guten Argumenten zu ganz gegensätzlichen Ansichten kommen.
Es gibt in Salzburg eine abrufbare Erregung über größere „moderne“ Bauprojekte. Wer laut „Schande“, „Betonmonster“ oder „passt nicht!“ ruft, bekommt Unterstützung. Das ist unabhängig von der Qualität der einzelnen Projekte. Diese abrufbare Erregung trifft gute wie schlechte Bauten. Auch Projekte, die im Nachhinein oft ganz anders beurteilt werden. Ein Beispiel dafür ist etwa das Heizkraftwerk Mitte am Elisabeth-Kai. Als es 2002 fertig gestellt wurde, war die Erregung über das „Betonmonster“ riesig. Heute finden viele, dass es sich doch um eine ehrliche Industrie-Architektur handelt, und alles andere ein Versteckspiel gewesen wäre. Auch der allgemein geschätzte, elegant geschwungene Makart-Steg galt vor seiner Errichtung weithin als „Altstadtverschandelung“ und „Passt nicht“-Architektur.

Skepsis ist berechtigt
Die Bürger-Erregungen können trotzdem in jedem einzelnen Fall berechtigt sein. Auch am Rehrlplatz. Eine gewisse Skepsis gegenüber den Salzbürger-Protesten gegen Architektur und Verbauungen ist aber jedenfalls berechtigt. Dies vor allem auch nach einem Blick auf die Bauten, die im ganzen Land problemlos akzeptiert werden. Gesichtslose Banalität, ein Haus in jeder Wiese, der Ring der Scheußlichkeit um fast schon jeden Ort, die Flächenfresser auf der grünen Wiese, usw. rufen keine oder wenig Bürgerproteste hervor.
Demokratie, öffentliche Debatte, Transparenz und Bürgerbeteiligung über Fragen der Stadtplanung und Architektur sind schwierige Unterfangen. Und trotzdem notwendig, von Anfang an bei jedem größeren Projekt! Das Schlimmste ist, wenn Bürger und Anrainer das Gefühl bekommen, die wirklichen Entscheidungen seien längst gefallen, bevor mit „Öffentlichkeitsarbeit“ und „Bürgerbeteiligung“ begonnen wird.
Damit ist zum Beispiel gemeint, dass die Geschäftsinteressen der Käufer und Verkäufer von Grundstücken von der Politik als die entscheidende Grundlage für deren Verbauung akzeptiert werden. Das empfinden die Bürger beim Rehrlplatz oder auch bei der Verbauung des Priesterhausgartens im Andräviertel so.

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Der österreichische Rechtsstaat hat ein Lebenszeichen gesetzt. Die Freisprüche im Wiener Neustädter „Tierschützer-Prozess“ sind rechtskräftig. Es geht um den so genannten „Mafiaparagraphen“. Dieser Paragraph, angeblich gedacht gegen schwere organisierte Kriminalität, gibt reaktionären, obrigkeitsstaatlichen Hysterikern in Polizei und Justiz ein Instrument zur Hand, das sich gegen jede Form zivilgesellschaftlicher Aufmüpfigkeit richten lässt. Der Fall, der nach diesem Paragraphen angeklagten Tierschützer, hat gezeigt, dass das auch wirklich angewandt wird.
Dieser Paragraph gehört entsorgt, oder so reformiert, dass ein Missbrauch künftig nicht mehr möglich ist.

h.breidenbach@salzburger-fenster.at