Meinung
SALZBURGER FENSTER 34/2012
von Heinrich Breidenbach
Es darf „beleidigt“ werden!
Darf „beleidigt“ werden, was anderen Menschen „heilig“ ist? Es ist unhöflich und meistens unnötig, es ist respektlos und provoziert negative Reaktionen. Trotzdem eindeutig Ja!
Religionen, insbesondere die großen und mächtigen Religionen, genießen in vielen Ländern einen besonderen Schutz. Nach den Aufregungen in der islamischen Welt um einen Kurzfilm, der angeblich den
Propheten Mohammed „beleidigt“, wird dieser Schutz wieder verstärkt eingefordert. Hochrangige islamische Geistliche verlangen etwa ein strafrechtliches Verbot von Islamfeindlichkeit. Schließlich
sei auch der Antisemitismus weltweit geächtet. Solche Stimmen gelten als „gemäßigt“ und finden auch bei anderen Religionen Zustimmung.
Falsch ist es trotzdem. Schon der Vergleich mit dem Antisemitismus hinkt gewaltig. Antisemitismus ist die Feindschaft gegenüber einer vermuteten jüdischen „Rasse“. Das ist etwas ganz anderes als
eine freiwillige Religionsgemeinschaft. Kritik etwa an orthodoxen jüdischen Fanatikern, die sogar kleine Mädchen jagen, wenn sie nicht „züchtig“ genug bekleidet sind, ist sicher kein
„Antisemitismus“.
Wer definiert, was „beleidigend“ oder „heilig“ ist? Bei den Religionsgemeinschaften selbst wäre dies in den allerschlechtesten Händen. 25.000 gläubige Moslems forderten etwa im Februar dieses
Jahres spontan im Internet die Todesstrafe für den Journalisten Hamsa Kaschgari, der mit ein paar harmlosen Bemerkungen ebenfalls den „Propheten Mohammed beleidigt“ haben soll. Kaschgari sitzt in
der religiösen Diktatur Saudi-Arabien in Haft, wo ihm die Todesstrafe droht. Die 25.000 Gläubigen fühlen sich oder ihren Propheten wahrscheinlich wirklich „beleidigt“. Sie glauben wahrscheinlich
wirklich, dass deshalb jemand getötet werden soll. Auch im Christentum liegen solche Haltungen nicht so lange zurück.
Souveräne Gelassenheit
Das subjektive Empfinden von religiösen Menschen kann kein Maßstab dafür sein, was „beleidigend" ist. Letztlich würden sich die Religionen mit einem solchen verstärkten strafrechtlichen Schutz
auch gegen berechtigte Kritik abschirmen wollen. Es werden auf der Welt ununterbrochen Werte und Überzeugungen, die irgendjemandem „heilig“ sind, „beleidigt“. Dazu gehören vor allem auch
humanistische oder soziale Werte, wie etwa die Menschenrechte. Das muss ausgehalten werden. Es muss „beleidigt“ werden dürfen. Und es braucht eine souveräne Gelassenheit, wenn eigene Werte
„beleidigt“ werden.
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Der Überfuhrsteg über die Salzach macht alle Wege von Aigen in die Josefiau, Herrnau und ins Nonntal für Fußgänger und Radfahrer kurz und attraktiv. Der Steg muss saniert werden. Die zuständige
Baustadträtin Claudia Schmidt hat sich schon für eine halbjährige Totalsperre des Stegs „entschieden“. Protestierende Radfahrer und Fußgänger fordern eine jeweils halbseitige Offenhaltung während
der Bauphase. Das wäre zu teuer und eine „Verschwendung von Steuergeld“, hält die Stadträtin forsch dagegen.
Interessant ist nun ein ausführlicher Beitrag aus dem Büro der Stadträtin auf der facebook-Seite der „Aktion Offener Steg“. Es ist grundsätzlich löblich, wenn auch auf diesem Weg mit Kritikern
kommuniziert wird. Aber sonst? Es heißt darin wörtlich: „Die Kollegen der Fachabteilung haben den Auftrag erhalten, sich mit einschlägigen Firmen die Variante einseitige Sperre genau anzusehen.
Das heißt, die Ausschreibung enthält ebenfalls eine Variante mit einseitiger Sperre. Das Ergebnis wird dann in einem Amtsbericht vorgelegt...“
Man hat sich also die Variante einer einseitigen Offenhaltung während der Sanierungsarbeiten noch nicht einmal „genau angesehen“. Es gibt auch noch keine Ausschreibungen und kein Ergebnis. Aber
die Stadträtin weiß trotzdem schon lange, was zu teuer ist… Genial!
h.breidenbach@salzburger-fenster.at